Wettbetrug: Tipps auf nicht existente Spiele

Ein Wettbetrüger muss die Spieler, den Schiedsrichter oder die Funktionäre bestechen – so die allgemeine Annahme. Mittlerweile ist diese alte und riskante Vorgehensweise jedoch überholt. Die neue Generation der Wettbetrüger besticht einfach den Datenscout des Wettanbieters. Da nur eine Person involviert ist, ist das Risiko für die Wett-Mafia deutlich geringer.

So funktioniert es genau – die Beispiele

Anfang 2014 standen sich in den ersten Liga in Weißrussland die Mannschaften vom FK Sluzk gegen den FK Schachzjor Salihorsk gegenüber. Die Gäste, welche immerhin schon in der Europa League gespielt haben, waren damals der klare Favorit. Überraschenderweise drehte der FK Sluzk in den Schlussminuten einen 0:1 Rückstand noch in einen 2:1 Sieg. Für die Favoriten war diese Niederlage sicherlich eine herbe Enttäuschung – doch denkste. Das Match hat in dieser Form überhaupt nicht stattgefunden. Vom angeworbenen Datenscout wurden lediglich erfundene Spielereignisse an den Buchmacher übermittelt. Das Match zeigt übrigens, dass selbst die ganz großen Wettanbieter der Szene nicht vor diesen bösen Überraschungen gefeit sind. Das Phantasie-Match zwischen dem FK Sluzk und dem FK Schachzjor Salihorsk war sogar im Wettprogramm vom Markführer bet365 zu finden.

Auch Betfair musste bereits einen derartigen Betrug anerkennen. Im August 2014 sollen der portugiesische Verein Freamunde und der spanische Klub Ponferradina ein Freundschaftsspiel gegeneinander ausgetragen haben. Tatsächlich hat Freamunde an dem Tag gespielt, aber nicht gegen Ponferradina. Der Datenscout von Betfair hat trotzdem fleißig Informationen an den Buchmacher übermittelt.

Wieviele derartige Betrugsfälle sind bekannt?

Offiziell sind nur vier derartige Phantasie-Spiele bekannt geworden. Die Dunkelziffer ist aber vermutlich deutlich höher. Gerade in den unterklassigen Wettbewerben und Ligen ist anzunehmen, dass die Wettmafia in regelmäßigen Abständen entsprechende Partien „ansetzt.“ Vornehmlich haben die Gangster aber an dieser Stelle den asiatischen Wettmarkt im Blick. Nach unseren Erfahrungen soll die FIFA über Informationen verfügen, dass sogar verschiedene Nationalmannschaften aus Asien und aus dem Nahen Osten in entsprechende Wettbetrüge verwickelt sind. Offiziell werden diese Informationen jedoch zurückgehalten.

Warum ist dieser Betrug so einfach?

Die Buchmacher sind stetig bestrebt vor allem im Livewetten-Sektor für eine entsprechende Vielfalt der Wettmöglichkeiten zu sorgen. In den Sidebereichen kann auf die nächste Gelbe Karte oder den kommenden Eckball gesetzt werden. Um diese Tipps anbieten zu können, bauen die Wettanbieter auf die Datenscouts, welche die Informationen vor Ort aufnehmen und übermitteln.

Die Bezahlung der Datenscouts ist nicht wirklich riesig. Die Beobachter im Spielfeldrand erhalten maximal 45 Euro pro Begegnung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese „Außendienstmitarbeiter“ für entsprechende Anwerbeversuche anfällig sind.

In der Praxis ist es für einen Onlinewettanbieter trotz der offiziellen Webseiten der Fußball-Verbände kaum möglich alle Begegnungen zu kontrollieren. Die Datenscouts haben relativ leichtes Spiel entsprechende Partien zu lancieren. Die besten Wettanbieter quotieren Fußball aus ca. 80 bis 90 Ländern, wobei in jedem Staaten mehrere Ligen zum Portfolio gehören – eine 100%ige Kontrolle ist praktisch nicht machbar.

Die Tradition der erfundenen Spiele

Die Wettmafia hat die Phantasie-Spiele zwar erst in den letzten Jahren für sich entdeckt, doch erfundene Begegnungen haben eine lange Tradition. Pete White gehörte in den 60er Jahren zu den bekanntesten, professionellen Sportwettern in den USA. Über seine detailgetreuen Statistiken beim Basketball und beim American Football sind später sogar Bücher geschrieben worden.

Besagter Pete White hat in den 70er Jahren eine Basketball College Match erfunden, welches an einem ohnehin vollem Spieltag von den Buchmachern ins Wettangebot aufgenommen wurde. White übermittelte im Anschluss permanent fiktive Spielgeschehnisse an die Wettanbieter, um auf der Gegenseite mit seinen Tipps richtig Kasse zu machen. White ging es hierbei jedoch nicht ums Geld. Er wollte nur die Schwachstellen der Buchmacher aufzeigen. Der Wettbetrug wurde von White selbst öffentlich gemacht. Die gewonnenen Gelder hat der Profi-Sportwetter damals zurückgegeben.

Late-Betting – mit der Pistole gegen den Scout

Kommen wir zurück zu den Datenscouts. Teilweise werden die Spielbeobachter geschmiert, um entsprechende Spielgeschehnisse zeitverzögert zu übermitteln, sprich die Wettbetrüger wissen vorab wo und wann ein Tor gefallen ist. Die Wetten werden platziert, ehe der Buchmacher auf den neuen Spielstand reagieren kann.

Nach unseren Erfahrungen gibt’s sogar Fälle, in denen die Datenscouts vor Ort mit der Pistole bedroht wurden, um entsprechende Ergebnisse einige Minuten zurückzuhalten.

Fazit: Noch immer nicht wirklich durchschaubar

Die FIFA hat auf die Vorkommnisse des Wettbetruges reagiert. Es gibt ein internes Meldesystem, in welches jeder Staat die offiziellen Freundschaftsspiele eintragen muss. Es ist jedoch trotzdem nicht auszuschließen, dass hier und da eine fiktive Begegnung in Kalender rutscht.